Aufgrund der hohen Energiepreise reagieren zahlreiche Industriezweige in Großbritannien und Deutschland mittlerweile mit Produktionskürzungen, um Gas und Strom einzusparen. Die energieintensiven Industrien, die ihre Produktion zurückgefahren haben, sind die Stahl-, Öl-, Glas-, Keramik-, Papier-, Chemie- und die Düngemittel Industrie. Gibt es langfristige Folgen dieser Kürzungen?
In Großbritannien gibt es eine starke Nachfrage nach den Produkten von Electric Glass Fibre UK, aber die Gefahr einer Schließung ist real. Die Energiekosten steigen. Die Kosten für die Aufrechterhaltung des Betriebs im nächsten Jahr werden voraussichtlich um unbezahlbare 300 Prozent steigen.
Der Stahlhersteller Arcelor-Mittal hat kürzlich zwei Werke in Deutschland geschlossen. Die Produktion war aufgrund der hohen Kosten nicht mehr wirtschaftlich und bezieht stattdessen bestimmte Produkte aus dem Ausland.
Der Toilettenpapierhersteller Hakle, der seit 2013 mehrere Verluste gemacht hat, meldete kürzlich wegen steigender Energiekosten Insolvenz an.
Viele Branchen hatten bereits vor dem Ukrainekrieg unter Wettbewerbsnachteilen gelitten. Die aktuelle Krise beschleunigt den Prozess nun. Mit steigenden Energiepreisen also die Zunahme von Insolvenzen in ganz Deutschland. Mehrere mittelständische Gießereien mussten in diesem Jahr bereits Insolvenz anmelden.
Stahl- und Metallindustrie
„Wir haben den Abgrund vor Augen“
– der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes Stahl- und Metallverarbeitende Industrie (WSM), Christian Vietmeyer.
Experten erwarten, dass diese Einschnitte die deutsche Wirtschaft nachhaltig verändern werden.
„Wenn die Energiepreise langfristig so hoch bleiben wie jetzt, könnte dies dazu führen, dass sich einige Branchen aus Deutschland verabschieden.“
– Falck vom Centrum für Industrieökonomie
Globaler Wettbewerb
Für viele Unternehmen in Großbritannien sind die steigenden Kosten für Gas und Strom nicht die einzige Herausforderung. In ganz Großbritannien kämpft die Wirtschaft auch mit einem Mangel an Arbeitskräften infolge des Brexits und höheren Materialpreisen infolge der Unterbrechungen der Lieferkette.
Der Trend, den globalen Wettbewerb zu verlieren, setzt sich in Deutschland fort. Die energieintensive Produktion bestimmter Produkte wird in Deutschland aufgrund der hohen Energiekosten unrentabel.
Auch viele Gießereien sind in Not und haben Konkurs angemeldet. Dazu gehören Heidenreich & Harbeck in Schleswig-Holstein und Kunststoffspritzgießer wie das Veeser Plastic-Werk aus Baden-Württemberg.
Die rasant steigenden Energie- und Arbeitskosten haben die gesamte Branche getroffen. Am härtesten trifft es diejenigen, die ihre Kosten aufgrund des globalen Wettbewerbs nicht so einfach an den Kunden weitergeben können. Künftig könnten zwar noch Maschinen in Deutschland montiert, aber die Gussteile in größerem Umfang im Ausland gefertigt werden.
China, USA, Türkei und Ungarn
Die Industrieproduktion steigt in bestimmten Ländern, die von dem billigen Gas aus Russland oder den riesigen Gasvorkommen des Landes profitieren.
„Wir diversifizieren derzeit unsere Lieferkette, nicht nur wegen gestiegener Kosten, sondern auch wegen der geopolitischen Lage.“
– Mikko Keto, CEO des Herstellers FLSmidth
Allein im Juli sind 14,1 Prozent des Auftragsvolumens geschrumpft, weil Deutschland in einer Industriekrise steckt. Über 5000 metallverarbeitende Familienbetriebe sind seit Jahren davon betroffen, weil Unternehmen ihre Produktion drosseln.
In den USA ist Erdgas rund achtmal billiger als in Europa. Die deutschen Industrien mit hohem Erdgasbedarf haben die Produktion stark reduziert oder ganz eingestellt, während sich die Industrie in den USA im Aufschwung befindet. Handelsverbände warnen vor Lücken in den Supermarktregalen in Europa, wenn das Gas nicht ersetzt werden kann.
Wird Deutschland bei hohen Energiepreisen und steigenden Löhnen als Industrienation überleben oder sich in Richtung einer Dienstleistungsgesellschaft bewegen? Nur die Zeit kann es verraten.